Als ich hier so stehe und überlege, wie ich das letzte Stück da rüberkomme, merke ich wie die Strömung am Vorderrad zieht. Beherzt gebe ich Gas, Schwung nehmen und rüber. Das war zumindest der Gedanke. Das Vorderrad stoppt an einem Stein, das Heck dreht sich nach links weg und schon liegt Lucia da. Sie blubbert leise vor sich hin und läuft noch. Ich drücke den Killschalter. Schwupps, Motor aus.
Ich gehe rund ums Mopped. Ok Wasser läuft keins in die Luftfilter. Öl oder Benzin läuft auch nicht ins Wasser also erst einmal eine Sekunde oder auch zwei durchschnaufen. So, und wie jetzt aufheben? Ich stelle mich seitlich daneben, gehe in die Knie, fasse Lucia am Lenker und dem Kofferhalter an. Die Steine sind glitschig. Ich bekomme keinen Halt, rutsche immer wieder weg. Ich richte mich wieder auf und überlege das Gepäck abzumachen. Da steht auch schon ein junger Mann hinter mir und fragt, ob er mit anpacken soll. Ruckzuck steht Lucia wieder auf den Rädern. So einfach ist das dann zu Zweit.
Ich will starten, das letzte Stück vorsichtig mit Motorkraft an das Ufer fahren oder schieben. Aber es passiert nichts.
Sie orgelt, der Anlasser dreht, aber sonst auch nichts. Nochmal, aber auch der zweite Versuch scheitert, sie bleibt tot, da passiert einfach nichts. Ein dritter und letzter Versuch, aber immer noch nichts. Bevor ich hier die Batterie leer georgelt habe schieben wir die Dicke dann lieber ans Ufer. An dieser Stelle noch einmal ein riesiges Dankeschön an den Helfer.
Ich ziehe mich erst mal aus. Wasser aus den Stiefeln, etwas trinken, etwas Essen, Puls runter bekommen, Adrenalin abbauen. Also noch mal ganz langsam. Schlüssel raus, alles aus, Schalter kontrollieren, Schlüssel rein, Zündung an, Knopf drücken und - sie springt sofort an.
Hää, was war denn das? Ach ja! Honda! Wenn die umgefallen ist, dann erst mal Zündung aus, kurz warten und dann wieder starten. Ich hatte versucht ohne die Zündung auszumachen direkt zu starten, echt doof.
Ich stehe hier, nasse Stiefel und nasse Füße, bin frustriert und stinksauer auf mich selber, wie ich der Meinung sein kann, dass bloß, weil man mal etwas gesehen hat, das auch selber kann. Das ist die Sache mit dem Ego. Eine meiner größten Schwächen. Wenn jemand der Meinung ist, dass ich etwas nicht kann, ja auch wenn ich das selber bin, dann erst recht.
So war das damals schon beim Radsport. „Mit 1,93m und 95 kg kann man keinen ambitionierten Radsport betreiben“, so hieß es immer zu mir. Und zwei Jahre später war der 10. Platz bei einem 24h MTB-Rennen im Zweierteam (wir sind beide die gleiche Rundenzahl gefahren) einer meiner größten Erfolge. So auch hier einmal wieder. „Du kannst doch nicht als Anfänger direkt TET in den Alpen fahren, mach erst mal einen Kurs“, blablabla.
Irgendwie stachelt mich so etwas eher an, als dass es mich zur Vernunft bringt. So bin ich halt. Naja, eben schauen, alles heile geblieben, außer das Ego, da ist eine riesige Ecke raus.
So, weiter geht's, ich bleibe auf dem TET. Kurze einfache Straßenabschnitte wechseln sich mit Schotter ab. Rechts abgebogen weisen die Schilder auf ein Refugio hin, MTB-Strecken sind ausgeschildert, der Schotter wechselt langsam zum einem ruppigen ca. 1 Meter breiten Weg. Loses Geröll, Steinplatten und Stufen kommen dazu.
Ich halte mehrmals an, und denke einmal wieder drüber nach, ob das alles so richtig ist, was ich hier tue.