Ich muss heute wirklich wenig packen, so bleibt mir viel Zeit für Kaffee und Frühstück. Ich bummle, genieße den Sonnenaufgang. Zum einen, weil es so schön warm in der Hütte ist und zum anderen, weil ich weiß, wie kalt es gleich beim Fahren werden wird. Vor allem aber auch weil ich weiß, dass es eigentlich völlig egal ist wann ich losfahre.
Instagram, Facebook, alles einmal checken. Schauen wer sonst noch so alles zurzeit auf Reise ist. So langsam möchte ich dann aber doch los, und dass, obwohl es erst halb neun ist. Sachen packen, alles wieder in die Koffer, das geht fix. Einen Plan für heute habe ich auch schon, zumindest für den Vormittag.
Es soll mal wieder ein Stück auf dem TET weitergehen. So gute 100 km und danach dann schauen, wo es mich hintreibt. Grundsätzlich möchte ich mich in leichtem Zickzack in Richtung Norden bewegen. So komme ich Richtung Heimat, kann aber trotzdem noch spontan die Richtung ändern, wenn das Wetter schlechter wird oder ich einfach mehr Zeit habe als ich gedacht habe. Um kurz nach neun stehe ich somit schon an der Schranke und gehe noch eben in die Stube, um den Schlüssel abzugeben.
Die Dame von gestern Abend ist hier fragt mich wie die Nacht war und bietet mir noch einen Kaffee an. Da es draußen echt nicht warm ist, sage ich nicht nein. Wir versuchen ein wenig zu kommunizieren, was sich allerdings echt schwierig darstellt. Einen Schlafplatz, den man sprichwörtlich mit Händen und Füßen besprechen kann, funktioniert immer, auch wenn man die Sprache nicht spricht. Sich über die letzte Nacht oder das Wetter und wo man hin möchte zu unterhalten ist dann doch schon etwas anderes. Wir grinsen und nicken viel, wobei ich fest davon überzeugt bin, dass wir beide keine Ahnung haben, worum es gerade geht.
Um halb zehn geht es dann aber wirklich los. Zunächst ein paar Kilometer Straße bevor es dann wieder in Richtung Berge geht. Der Weg beginnt direkt mit Schotter, recht einfach und gut zu fahren. Dafür lohnt es sich nicht einmal die Luft abzulassen. Je höher ich komme desto mehr kann ich erahnen, wo es hin geht. Die Bäume werden kleiner, die Aussicht immer weiter.
Hier ist es anders als in Italien. Nicht nur die Landschaft sondern auch die Wege und der Untergrund. Der Schotter eckiger, scharfkantiger aber dennoch loser. Das Vorderrad rutscht mehr beim Bremsen oder wenn man zu scharf einlenkt.
Vielleicht sollte ich doch Luft rauslassen? Ich schaue aufs Navi: Ne da hinten wird das wieder Asphalt, eine weiße Straße, kein gestrichelter Weg. Das lohnt sich dann nicht mehr. Und so fahre ich weiter.
Zu solchen Denkweisen, wie „das wird gleich besser“, „das ist nur ein kurzes Stück“, dazu kann meine Frau auch was erzählen. Aus unserem letzten Urlaub im Frühsommer. Roadtrip mit dem Auto bis nach Griechenland. Als wir von Nordmazedonien in den Kosovo wollen entdecken wir eine gelbe Straße auf der Karte, also Straße zweiter Ordnung. Wir überlegen nicht lange, und rein da an der Kreuzung. Naja, was soll ich sagen: nach 1,5 Stunden Schotter lief meine Frau regelmäßig vor, um hinter der Kurve zu schauen, dass auch ja frei ist, weil ich da mit Schwung rauf musste. 30 km Weg und 4,5h Fahrzeit, waren das Ergebnis, und nein wir waren nicht im Kosovo sondern wieder an der Kreuzung. Irgendwie habe ich da ein Händchen für, solche bekloppten Wege zu finden. Aber auch ein Fabel dafür, sich selber den Mist, den man da macht, schön zu reden.
Ähnlich auch hier, es blieb Schotter und es wurde sogar noch anspruchsvoller. Aber diesmal hatte ich das richtige Fahrzeug, keinen tiefer gelegten 3er BMW mit Allrad.
Lucia macht sich da echt gut, auch meine Skills im Schotter werden besser. Mehr Schwung heißt hier, weniger anstrengend und mehr Flow.
Es macht wirklich Spaß, wenn man sich halt nicht unter Druck setzt. Es läuft gut, dennoch dauert der erste Anstieg und die darauffolgende Abfahrt gute 1,5 Stunden, aber es wird warm. Schon bei der Abfahrt ziehe ich das Langarmshirt aus. 19°C, ich dachte es wäre wärmer. Die Sonne scheint und ich tanke förmlich Energie, es fühlt sich nicht ermüdend an.
Nun wieder ein Stückchen Straße, auch das gehört zum TET. Es sind nicht nur Schotterwege und Trails. Oft sind es auch kleine Wege an Bächen entlang und zwischen Wäldern hindurch. Es ist schön hier, vieles erscheint schon herbstlich. Das Laub ist rot und orange, teilweise noch grün, ein richtig tolles Farbenspiel. Ich bin wieder voll in meinem Genussmodus angekommen, kein Stress, keine Hektik. Fahren und genießen. Mittlerweile habe ich auch kein Zeitgefühl mehr. Wie lange fahre ich? Wie viel Zeit habe ich noch? Keine Ahnung, ist aber auch egal. Es zählt nur das Jetzt und Hier. Und das genieße ich.