Es geht nach Süden, 3 Länder sollen es heute werden

Ungan, Kroatien, Bosnien, so nah und doch so verschieden

Die Planung steht, heute soll es nach Süden gehen. Ungarn verlassen und durch Kroatien nach Bosnien-Herzegowina. Gute 300 km sind geplant, Routenprofil auf Spannend bei TomTom eingestellt.

So gegen 08:00 Uhr sind wir bereits beim Packen. Frühstücken wollen wir unterwegs. Was holen und da Pause machen, wo es uns gefällt. Der erste Supermarkt wird angesteuert und auch die Getränke aufgefüllt.

Die ersten Kilometer sind seltsam, zwischen Iris und mir ist eine gewisse Spannung. Beim Wenden, um auf den Parkplatz zu kommen, war bei ihr irgendwie kein rum kommen, alles doof und es klappt auch nichts.

Meine Kommentare von wegen, dass sie nicht denken darf, sondern einfach fahren soll und ihr Körper das schon macht, sind nicht wirklich hilfreich. Wir brauchen ein paar Kilometer um hier wieder runter zu kommen. Es ist halt nicht immer alles nur Friede Freunde Eierkuchen auf so einer Reise.

Aber jetzt ist wieder alles gut. Wenn man so wie ich 15 - 20 tkm im Jahr fährt, passieren so viele Dinge beim Fahren von allein. Davon wie man selber angefangen hat, weiß man irgendwie nichts mehr.

Ungarn ist da, wo wir heute gefahren sind, extrem kontrovers. Der Balaton strotzt vor Dekadenz der Touristen, der Deutsche zeigt gerne was er hat und auch das Prahlen darf nicht zu kurz kommen. Das haben wir an den beiden Abenden, an denen wir Essen waren mehrfach erleben müssen. Natürlich ist dies unser persönliches Empfinden und darf nicht verallgemeinert werden. Das Thema Massentourismus ist eh ein heikles Thema bei uns.

Die Gegend ist schön, es gibt viel zu sehen, dass möchte ich nicht abstreiten. Aber für mich ist wieder einmal zu viel Kommerz präsent.

Die andere Seite, hier der Süden, den wir heute durchquert haben zeigt zum Teil ein ganz anderes Bild des Landes, eins das Touristen nicht sehen sollen und wahrscheinlich auch nicht wollen.

Wir fahren durch Dörfer, die an klassische Balkandörfer erinnern. Teilweise bunt, oft sehr gepflegt. Ganze Dörfer wirken als ob die Menschen hier mit ihren Mitteln versuchen alles in Schuss zu halten, mal mehr, mal weniger.

Dann kommen Dörfer bei denen man sich wie in Geisterstädten fühlt. Vieles kaputt, Häuser mit Rissen und Löchern in den Wänden. Nicht nur eins oder zwei, nein ein ganzes Dorf 30 oder 40 Häuser. Im Vorbeifahren sehen wir Wäsche auf der Leine, gleichzeitig fehlen Scheiben in den Fenstern.

Wie werden nachdenklich. Kann so etwas wirklich vor unserer Wohlstandshaustüre Zentraleuropa sein? Ich erinnere mich an die Ränder von Mailand, wo ich vor ein paar Jahren durch gefahren bin. Dort hatte ich ein ähnliches Erlebnis und Gefühl.

Wie kann es sein, dass Wohlstand so ungerecht verteilt ist? Wir reden darüber, wie gut es uns geht, welches Glück wir haben hier und jetzt mit dem Motorrad die Welt bereisen zu dürfen, vor allem es zu können.

Das übliche Quäntchen Adventure darf auch heute nicht fehlen. Das Navi sagt links und wir biegen hinter dem Bauernhof auch brav ab. Ein Feldweg, nichts mit Schotter, Erde, festgefahren und mit ein paar Matschpfützen gespickt. Ich frage brav nach, ob das OK ist und passt, da düst Iris schon an mir vorbei.

Ehhhm, ich wollt eigentlich ein Foto machen? Leider ist der Weg nur von kurzer Dauer. Matsch soweit das Auge reicht. Traktorspuren, die mindestens 40 bis 50 cm tief sind. Nöö, heute nicht, also mal wieder drehen und dem Asphalt folgen.

Wir konzentrieren uns wieder auf das Fahren und die Landschaft. Die Grenze kommt langsam näher. Kroatien, wieder alles anders, oder vielleicht auch nicht? Die Häuser, die Straßen, doch es wird anders.

Die ungarischen Straßen, vor allem die Backroads sind die bisher schlechtesten, die ich bisher gefahren bin. Wir sind froh, dass es nicht regnet.

Hier in Kroatien ist es wieder entspannter. Die Karte zeigt, dass es in Richtung Berge, oder Hügel, zumindest in einen Nationalpark geht. Die Straße ist ein Traum ein Schild zeigt an, dass die nächsten 25 km nur Kurven kommen. Wir sind alleine hier, kein Auto hinter uns, keins vor uns. Gegenverkehr gibt es nicht. Einzig und allein das Schild mit der 40 drauf bremst mich grade.

Nach guten 12 oder 13 Kilometer dann endlich die Erlösung. Freie Fahrt, 90 km/h sind erlaubt. Da gehen die Pferde mit mir durch. Attacke ist angesagt, irgendwie müssen die restlichen Nupsies ja von den Reifen runter kommen. Die letzten 10 km fahre ich vorneweg, kein Funk mehr, dafür Musik auf den Ohren und die Rasten auf dem Boden.

An der Stelle, wo wir abbiegen müssen, warte ich. Beim Blick in die Straße sehe ich schon, Schotter. Iris kommt an, blinkt, und fährt einfach weiter, ist halt mittlerweile einiges von mir gewohnt. Wir fahren möglichst nah aneinander, damit der Staub uns nicht so beeinträchtigt.

Der Schotter ist fest, lässt sich gut fahren. Wie immer muss mal probieren was da so geht. Bei weit über 100 km/h gehe ich vom Gas und warte bis Iris aufgeholt hat. Ein paar Tipps zur Linienwahl und wie locker man den Lenker halten soll und schon fahren wir beide mit gut 50 km/h hier durch den Wald.

Die Passage ist lang, laut Navi sollen wir in 25 km erst wieder abbiegen. Aber soo lang ist es dann doch nicht. Hier in den Dörfern, mitten im Nationalpark, sind die Straßen asphaltiert. Dazwischen immer wieder Schotter.

So langsam verlieren diese Wege den Schrecken, von gerne gemocht, sind sie aber noch einiges entfernt. Wie heißt es doch so schön, sie sind geduldet.

Das Hinterland hier ist schön, es ist ruhig, wenig Verkehr. Bis wir uns der Grenze näheren. Dorf reiht sich an Dorf, ewig lang ist 50 km/h angesagt. Der Verkehr nimmt zu und wirklich Spaß macht das hier grade nicht. Aber da müssen wir durch.

Noch 78 km bis zur Unterkunft und 3 km bis zur Grenze. Aber die ziehen sich. Aus Kroatien raus, kein Thema, 6 Spuren sind auf, dauert keine 2 Minuten. Wir stehen schon auf dem kroatischen Teil der Brücke über die Save, die die Grenze markiert.

Es ist warm, ich ziehe die Jacke aus, Handschuhe auch, nur der Helm bleibt auf dem Kopf. Im Stop & Go geht es gute 25 Minuten lang Meter für Meter weiter. Ein Schalter hat auf, der andere ist für LKW.

Als wir an dem Schalter ankommen, guckt der Beamte und nickt uns durch, der Polizist dahinter ebenfalls. Das fühlt sich seltsam an, nach Willkür, wie in einem schlechten Film. Noch schnell abbiegen und dann die Sachen wieder anziehen und verstauen.

Kurz danach wollen wir was Essen, etwas trinken, und ich muss mal. Rechts ran fahren auf einen kleinen Parkplatz, mehr geht nicht. Hier ist grade nichts, die Straße wie auf einem Deich gebaut. Beim Anhalten merken wir schon, dass das kein langer Stopp wird.

Hier wimmelt es so vor Mücken. Als ich aus dem Gebüsch zurück komme, habe ich das Gefühl, dass ich einen ganzen Schwarm alarmiert habe. Anziehen, hauen, wedeln, wir wissen nicht, was wir zuerst machen sollen. Helm an, Visier zu, der Kopf ist schon mal geschützt. Selbst die Handschuhe sind als Schwachstellen von den Biestern erkannt worden. Da hilft nur schneller fahren als die fliegen können.

Das Etappenziel ist greifbar. Wir fahren kleine Sträßchen zwischen den Dörfern und auf den Anhöhen entlang. Mal wieder soll es rechts in eine Schotterpiste gehen. Aufgrund der Nässe und der Uhrzeit entscheide ich mich jedoch für die Straße.

Der Supermarkt für das Abendessen ist auch schon eingegeben, dachte ich zumindest. Als wir an der Markierung ankommen ist da nichts. Also drehen, und nochmal. Wieder nichts. Ja sapperlot, kann doch nicht sein, dann muss halt ein anderer her.

Ich will grade eine neue Markierung setzen, da kommt auch schon eine Info von der Vermieterin, wann wir denn da sind. Ich denke 20 Minuten mit Einkaufen sollte passen.

Eingekauft ist schnell, Paprika, ein wenig Fleisch, Gnocchi und Tomatensauce, daraus zaubern wir später dann etwas leckeres.

Als wir die Straße zur Unterkunft entlang fahren, wissen wir nicht ganz wohin, Hausnummern gibt irgendwie keine. Dort vorne stehen Leute auf der Straße, die sehen aus als ob die warten. Tatsächlich, unsere Vermieter.

Die sprechen kein Wort Deutsch, wir kein Bosnisch, aber Google hilft. Die Motorräder dürfen in die Garage und wir haben ein ganzes Haus für uns alleine. Super ausgestattet, kaltes Bier im Kühlschrank, was will man mehr.

Ganze 28 € zahlen wir hierfür. Ja hier draußen ist absolut nichts, außer vieler netter Menschen. Die Vermieterin hat mittlerweile schon 3 x per WhatsApp nachgefragt ob alles OK ist oder wir noch etwas brauchen. Das ist der absolute Wahnsinn hier.

Morgen geht's weiter Richtung Süden, vielleicht nach Sarajevo oder vielleicht doch nördlich davon durch die Berge? Wir wissen es nicht.

Heute waren es 307 zum Teil wirklich wunderschöne Kilometer.