Nun ist schon eine Woche rum. Ich bin also seit 7 Tagen im Urlaub. Aber irgendwie ist es diesmal alles anders, es fühlt sich anders an. Sonst fahre ich irgendwo hin, der Weg ist das Ziel. Ich mache Kilometer, sehe viel von der Landschaft, sehe den Leuten in den Dörfern in ihrem Alltag zu, lasse mich richtig treiben, vergesse Zeit, Arbeit, alles um mich herum wird nebensächlich. Das ist ja genau das, weshalb ich diese Art zu reisen gewählt habe. Naja, sonst zumindest.
Dieses Mal, vor allem dann wenn ich Offroad unterwegs bin, nehme ich alles anders wahr. Ich glaube man kann es ein wenig wie den Unterschied zwischen Rennrad und Mountainbike fahren vergleichen. Beides ist Rad fahren. Ähnlich, aber doch unterschiedlicher als es sonst nicht sein könnte. Vieles was ich wahrnehme, ist intensiver. Die Natur erleben, die Gerüche, die Luft die ich einatme, alles ist noch mehr zum Anfassen, fühlt sich realer an. Es ist echt schwer zu beschreiben, wenn man es nicht selbst erlebt.
Wenn ich nun abends so dasitze, den Tag noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse und dann, so wie heute auf den Tacho schaue und gerade einmal 167 km gefahren bin, dann bin ich im ersten Moment oft ein wenig wehmütig. Wie viel mehr hätte man sehen können wenn man Straße fährt, wären vielleicht mehr Momente dabei gewesen von denen man zehren kann, wenn man mal wieder Stress hat und an den letzten Urlaub denkt? Da ist dann ganz viel hätte, wäre und wenn dabei.
Um dann da rauszukommen schaue ich mir meine Bilder des aktuellen Tages noch einmal bewusst an. Dann denke ich an die vielen Situationen, wo man stolz ist, es geschafft zu haben. Sei es eine Rampe die man geschafft hat oder gar ein ganzer Anstieg, der auf den ersten Blick so aussah als ob man umdrehen müsste.
Die großartigen Augenblicke sind dann wieder ganz präsent und die Wehmut verfliegt. Meist bleibt der Stolz wieder etwas geschafft zu haben, was man nicht immer für möglich gehalten hätte. Auf dieser Tour sind es die Ausblicke, Fernsichten und Erlebnisse, zu denen ich mit Betty nie gekommen wäre.
Aber nun zurück zu meinem heutigen Tag. Die Nacht gehört mal wieder in Kategorie „echt bescheiden“. Mein Campingplatz liegt in einem Tal, schön zwischen einer Hauptstraße, einer Autobahn und einer Bahnstrecke. Abends als ich schlafen gegangen bin war in meinem Kopf noch alles OK. Ja ein paar Autos, mal ein Zug, das geht. Schließlich schlafe ich recht schnell ein. Um elf Uhr werde ich das erste Mal wach. Nanu? Immer noch so viel Verkehr? Naja, die arbeiten hier was länger als bei uns in Deutschland, wird bestimmt gleich besser.
Spätestens wenn man diesen Gedanken hat weiß man eigentlich, nöö, dass es eher Wunschdenken ist. Immer wieder werde ich wach, gefühlt alle 10 Minuten. Aber das Handy sagt mir, dass es doch gute 30 Minuten sind, die ich weg nicke. Schalltechnisch summiert sich gefühlt alles und wird von Aufwachen zu Aufwachen lauter, es hört nicht auf, LKWs brummen, die Züge donnern.
Ich fühle mich gereizt und werde stinksauer auf mich selbst, weil ich mal wieder zu faul war vorher anständig auf die Karte zu gucken.
Mittlerweile ist es kurz vor 3 und ich bin gerade noch einmal kurz eingenickt. Jetzt reicht es mir. Ich stehe auf und suche nackt, draußen am Mopped in allen Taschen und Koffern nach irgendetwas, was ich mir in die Ohren stecken kann. Wenn da jetzt jemand vorbeigekommen wäre, den hätte ich wahrscheinlich mächtig blöd angemacht wie man hier einen Campingplatz aufmachen kann. Zum Glück für alle, konnte scheinbar alles um mich herum prima schlafen.
Tatsächlich habe ich in meinem Kulturbeutel hinter der Zahnpasta noch ein paar Ohropax gefunden. Ich freue mich wie ein kleines Kind. Schlafen bis es hell wird, Abfahrtspläne werden gedanklich storniert. Die kleinen Gummipfropfen werden gerollt, schön vorgeformt und dann rein in die Ohren. Es knistert und ich merke, wie der Schaumstoff wieder in seine ursprüngliche Form zurück will. Es wird leiser, alles ist wie gedämpft, irgendwie ganz weit weg. Dennoch will mein Hirn nicht abschalten und es dauert gefühlt eine Ewigkeit, bis ich aufhöre über irgendetwas nachzudenken. Ohne es wirklich mitzubekommen schlafe ich ein und werde erst um kurz nach sieben wach.
Draußen ist es noch dunkel. Ich kann mich ja noch einmal umdrehen, aber es passiert nichts. Mein Kopf fängt schon wieder an zu rattern. Irgendwie kommt Vorfreude auf, große Erwartungen an die Assietta und die Festung am Monte Jaferau. Also heißt es dann doch aufstehen. Ich sitze in meinem Stuhl, warte auf die Sonne und lausche dem Blubbern in meiner Bialetti. Hierbei stelle ich dann fest, dass ich kein Frühstück habe. Ich habe es echt verpennt einkaufen zu gehen. Somit heißt es aufstehen und das Topcase durchsuchen. Mal sehen was sich da so findet. Ein Apfel, leicht angedötscht aber gut, ein halbes Brötchen von gestern Mittag, ein paar Müsliriegel und die Marmelade ist ja auch da. Das muss für den Start reichen.
Heute Morgen läuft alles wie automatisiert, schnell, ohne irgendwie zu trödeln. Zum Quatschen ist auch keiner da und so stehe ich um 8:45 Uhr fertig gepackt an der Rezeption und will bezahlen. Nanu, keiner da? Er sagte doch, dass ab 8:00 Uhr vorne besetzt wäre. Zum Glück steht eine Telefonnummer da. Erster Versuch, nichts. Nur eine Ansage, dass der Teilnehmer derzeit nicht erreichbar wäre. Zweiter Versuch, auch wieder nichts. Ich setze mich in die Sonne und warte.